Nabelveränderung
Der Nabel besteht aus einem äusseren Teil (Nabelschnur und Hautnabel) und einem inneren Teil (Nabelvene, 2 Nabelarterien und Urachus). Die Nabelvene geht zur Leber und führte beim Föten das Blut von der Plazenta zum Kalb. Die zwei Nabelarterien ziehen ins Becken hinein und transportieren beim Föten das Blut vom Kalb zur Plazenta. Der Urachus zieht an die Harnblasenspitze und leitete beim Föten den Harn in die sogenannte Wasserblase (Allantois) ab. Im sogenannten Nabelring durchstossen diese 4 Strukturen die Bauchdecke.
Eine rasche Rückbildung (Involution) und Abtrocknung des Nabels nach der Geburt hilft Nabelerkrankungen zu vermeiden. Die normale Entwicklung des „äusseren Nabels“ nach der Geburt verläuft folgendermassen:
- Die Nabelschnur reisst beim Kalb schon beim Austritt durch die Geburtsöffnung. Sie bleibt bis ungefähr zum vierten Tag nach der Geburt noch feucht, trocknet jedoch kontinuierlich ab und schrumpft zuletzt zusammen.
- Die Nabelschnur fällt nach etwa 14 Tagen ab.
- Eine Kruste bleibt am Hautnabel bis zum Alter von drei bis vier Wochen erkennbar. Danach ist der gesunde Hautnabel vernarbt.
Die normale Rückbildung des „inneren Nabels“ nach der Geburt:
- Die Nabelvene kollabiert
- Die Nabelarterien und der Urachus ziehen sich ins Becken zurück (retrahieren sich).
- Der Nabelring verschliesst sich während den ersten Lebenstagen bindegewebig.
Die Nabelschnur ist eine ideale Eintrittspforte für krankmachende Keime. Entlang den inneren Strukturen des Nabels können sie bis in die Leber, ins Becken oder an die Harnblase aufsteigen. Bei den beteiligten Keimen handelt es sich meistens um ubiquitär vorkommende Bakterien wie T. pyogenes, Staphylokokken, Streptokokken, Fusobakterien, coliforme Keime, usw.
Je nach Ausdehnung und Lokalisation unterscheidet man verschiedene Formen von infektiösen oder entzündlichen und nicht infektiösen Krankheiten. Kombinationen kommen vor.
Diagnostik
Die Symptome bei Nabelproblemen variieren sehr stark und sind abhängig von den betroffenen Strukturen und dem Schweregrad einer eventuellen Entzündung.
Diagnose beim Einzeltier im Stall
An erster Stelle steht die Beurteilung des Verhaltens und eine allgemeine klinische Untersuchung (in Klammer die Formen der Nabelerkrankungen, bei der diese Symptome auftreten können):
- Störung des Allgemeinbefindens: Fieber, Mattigkeit, reduzierter Appetit (2.1, 2.2, 1.2.1, 1.2.2)
- Körperhaltung: aufgekrümmter Rücken, gespannte Bauchdecken, evtl. Bauchschmerzen (1.2.2, 2.1, 2.2)
- Häufiger Harnabsatz in kleinen Portionen (1.3, 2.2)
- Umfangsvermehrung im Nabelbereich (1.2, 2.1)
- Austritt von Flüssigkeit (Harn, Eiter) im Nabelbereich (1.3.1, 2.1)
- Weitere Probleme: durch Streuung von Keimen kann es zu Erkrankungen in Gelenken, Lunge und Gehirn kommen.
Darauf folgt die spezielle Untersuchung des äusseren Nabels durch Adspektion und Palpation.
- Ausdehnung und Form der Umfangsvermehrung
- Konsistenz
- Wärme
- Palpationsschmerz
- Reponierbarkeit des Bruchinhalts
Zusätzliche Abklärungen für das Einzeltier können durch den Tierarzt durchgeführt werden
- Sorgfältige tiefe Palpation des inneren Nabels (Sedation evtl. nötig)
- Ultraschall-Untersuchung der Nabelstrukturen in der Bauchhöhle
- Nabelpunktion bei Umfangsvermehrung (Eiter, Urin usw.)
- und weitere spezielle Untersuchungen (Sondierung, Röntgen usw.)
Bestandesproblem
Nabelerkrankungen sollten ein seltenes Ereignis in einem Betrieb darstellen (< 5% aller Kälber). Eine Anhäufung von Nabelbrüchen ohne vorangehende Nabelentzündung muss mit genetischer Selektion korrigiert werden. Beim vermehrten Auftreten von Nabelentzündungen muss die Korrektur in erster Linie beim Management (siehe Risikofaktoren) erfolgen.
Risikofaktoren/Ursachen
Für Nabelerkrankungen kommen viele verschiedene Ursachen in Frage. Als Risikofaktoren für infektiöse Nabelerkrankungen werden alle Faktoren angesehen, die eine erhöhte Exposition mit Umweltkeimen und eine Senkung der Abwehrkraft der Kälber zu Folge haben. Häufig ist es eine Kombination von mehreren Faktoren. Nabelbrüche haben meist eine genetische Komponente. Die wichtigsten Risikofaktoren sind:
Geburtsablauf
- Ungenügende Sauberkeit der Umgebung bei der Geburt (Beispiel: Abkalbebox).
- Überbelegte Abkalbebox.
- Ungenügende Hygiene bei der Geburtshilfe.
- Abriss der Nabelschnur zu nahe am Körper.
Nabelversorgung
- Berührung des Nabels mit blossen Händen.
- Manipulationen wie Abreissen und Ausstreifen der Nabelschnur oder Einmassieren einer Desinfektionslösung.
- Ungenügende Nabelkontrolle und Kälberbeobachtung in den ersten Lebenstagen.
Immunität des Kalbes
- Ungenügende Versorgung mit kolostralen Antikörpern (siehe Kolostrum-Management).
Haltung, Management und Fütterung
- Ungenügende Hygiene in der Kälberbox: ungenügende Entmistung, schmutzige Einstreu, zu wenig Einstreu (siehe dazu Einstreu bei Aufzuchtkälbern).
- Haltung in Gruppen in den ersten Lebenstagen (gegenseitiges Saugen am Nabel).
- Das Saugbedürfnis der Kälber ist nicht befriedigt, wenn
- mit tiefverlegten Eimer ohne Nuggi getränkt wird,
- die Nuggi-Öffnung zu gross ist.
- Nicht artgerechte Fütterung und Wasserversorgung, Mangelzustände (Mineralstoffe, Spurenelemente, Vitamine).
Genetik
- Männliche Tiere sind öfters von Nabelentzündungen betroffen als weibliche Tiere.
- Genetische Prädisposition für Nabelbrüche.
Prophylaxe
Bei der Vorbeugung der infektiösen Nabelerkrankungen stehen die Reduktion des Keimdruckes aus der Umwelt und die Stärkung der Immunabwehr der Kälber im Vordergrund. Bei Nabelhernien sind züchterische Massnahmen angebracht. Folgende Punkte sind zu beachten:
Geburt:
- Geburt in sauberer Umgebung; bewährt hat sich die Einstreu mit reichlich Stroh. Kein Sägemehl verwenden.
- Geburtshilfe nur wenn nötig und mit hygienisch sauberen Händen und Werkzeugen .
Nabelversorgung:
- Optische Begutachtung des Nabels nach der Geburt: die Berührung des Nabels ist möglichst zu vermeiden.
- Ein blutender Nabel kann notfallmässig mittels einer in Desinfektionslösung getauchten Schnur dicht am Nabel abgebunden werden. Nur mit sauberen Händen oder besser mit neuen (Wegwerf-) Handschuhen arbeiten.
- Regelmässige optische Nabelkontrolle und Beobachtung der jungen Kälber.
- Hat man bei der optischen Kontrolle einen Verdacht auf eine Nabelkrankheit, so kann eine palpatorische Untersuchung weitere Informationen liefern. Dabei sollte nur die Haut im Nabelbereich und nicht der Nabelstrang selber berührt werden.
Desinfektion des Nabels unmittelbar nach der Geburt:
- Ist unnötig bei guter Hygiene der Abkalbe- und Kälberbox oder des Iglus.
- Nabel nur in Absprache mit ihrem Tierarzt und in Problembetrieben in ein auf Iod oder Alkohol basiertes Desinfektionsmittel oder Chlorhexidin tauchen.
Immunität des Kalbes:
- Die Versorgung mit Kolostrum optimieren (Kolostrum-Management).
Haltung, Management und Fütterung:
- Kalb in einer sauberen und reichlich eingestreuten Kälberbox unterbringen.
- Kälber in den ersten Lebenstagen einzeln halten, um gegenseitiges Besaugen zu verhindern.
- Regelmässige Entmistung.
- Saugbedürfnis der Kälber befriedigen (Kälber sollen beim Saugen „arbeiten“ müssen):
- hochverlegte Nuggi-Eimer,
- kleine Nuggi-Öffnung.
- Artgerechte und dem Alter angepasste Fütterung, optimale Versorgung mit Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen.
- Wasser zur freien Verfügung,
Genetik:
- Tiere mit einem Nabelbruch von der Zucht ausschliessen.
Therapie
Die Therapien von Nabelerkrankungen sind vielfältig und richten sich nach deren Form und Ausdehnung. Ihr Tierarzt wird sie beraten.
Therapie je nach Nabelerkrankung (geändert nach Steiner, 2005; Wieland, 2010):
Prognose:
Bei allen Nabelerkrankungen ist die Prognose günstig, ausser bei:
- einer Nabelentzündung mit Leberbeteiligung oder die Keime haben bereits in andere Organe (Gelenke, Lunge usw.) gestreut,
- einer Infarzierung (Absterben wegen Blutmangel) von Organteilen im Bruchsack,
- zu kurzer Therapiedauer bei einer Nabelentzündung.
Bei Vorliegen einer Omphalophlebitis mit multipler Abszessbildung in der Leber und/oder Streuung von Keimen in andere Organe ist die Prognose sehr schlecht und die Euthanasie ist dringend zu empfehlen.