Aufzucht

Aufzuchtkälber

Hauterkrankungen

Kälberflechte

Die Kälberflechte ist vermutlich die häufigste Hautkrankheit beim jungen Kalb. Sie wird durch Pilze (vor allem Trichophyton verrucosum) verursacht. Als erstes Anzeichen dieser Krankheit kann man auf der Haut kleine, lokal begrenzte Stellen sehen, wo die Haare aufgestellt werden. Der in den verhornten Hautschichten lebende Pilz befällt die Haarfollikel und es kommt zu Haarausfall. Die Hautveränderungen dehnen sich dann zentrifugal aus. Charakteristisch für die Krankheit sind runde bis ovale, scharf abgegrenzte, haarlose Stellen. Im weiteren Verlauf der Erkrankung wird die Oberfläche krustig und borkig. Bei frischen Infektionen werden auch nässende, selten blutige Hautläsionen gesehen.

Kälberflechte
Die bevorzugten Lokalisationen beim Kalb sind der Kopf- und Halsbereich (bei Jungrindern unter Umständen am ganzen Körper)

Selten kommt die Kälberflechte auch bei ausgewachsenen Tieren vor. Die Übertragung geschieht entweder von Tier zu Tier, aber auch indirekt durch Gerätschaften, welche für mehrere Tiere benutzt werden wie beispielsweise Bürsten. Die Krankheit ist auf den Menschen übertragbar.

Ektoparasiten

Bei den Aufzuchtkälbern steht der Befall mit Läusen, Haarlingen und Räudemilben im Vordergrund.
Die zu den Insekten gehörenden 2 – 4 mm grossen und blutsaugenden Läuse sind wirtsspezifisch und leben im Haarkleid des Kalbes. Drei verschiedene Läusearten sind beim Rind bekannt. Sie verursachen in erster Linie Juckreiz und bei massivem Befall auch eine Blutarmut (Anämie). Durch den Juckreiz kratzen sich die Tiere vermehrt oder scheuern sich an Gegenständen. Dadurch kommt es zu Haarausfall und Verletzungen der Haut, was weitere Infektionen begünstigen kann. Die bevorzugten Lokalisationen der Läuse sind der Hals- und Nackenbereich sowie der Widerrist. Die 0.5 bis 1 mm grossen Läuseeier (Nissen) werden einzeln an die Haare geklebt. Die Übertragung erfolgt vor allem durch direkten Kontakt, selten indirekt durch Gerätschaften.

Der auf der Haut lebende Rinderhaarling gehört ebenfalls zu den Insekten und führt bei starkem Befall ebenfalls zu Juckreiz und Haarausfall. Der Parasit ernährt sich von Hautschuppen und Hautsekreten; die Irritationen sind deshalb für das Kalb weniger schwerwiegend als bei einem Läusebefall. Die einzige beim Rind vorkommende und wirtsspezifische Art klebt ihre Eier (Nissen) einzeln an die Haare im Bereich von Hals, Schulter, Rücken und Schwanzansatz. Die Übertragung geschieht vorwiegend durch direkten Kontakt. Mischinfektionen mit Läusen sind häufig.

Die Rinderräude ist eine stark ansteckende Hauterkrankung, welche mit Haarausfall und Borkenbildung einhergeht. Sie wird durch Räudemilben verursacht, welche zu den spinnenartigen Tieren gehören. Sie leben auf oder in den oberen Hautschichten und man unterscheidet Nage-, Saug- und Grabmilben. Da diese Krankheit eher bei älteren Tieren auftritt, wird sie dort besprochen.

Haarausfall

Das Krankheitsbild „Haarausfall“ wird definiert als das Ausfallen der Haare an normalerweise behaarten Körperstellen ohne nachweisbare Hauterkrankung, insbesondere ohne Hautekzem oder Befall mit einem Hautparasiten. Angeborener Haarausfall ist selten. Deutlich häufiger ist der erworbene Haarausfall. Ursache sind Ernährungsstörungen der Haut und Haarwurzel, die sich als Begleiterscheinung oder als Folge einer Fehlernährung oder verschiedener Organ- und Infektionskrankheiten entwickeln können.

Milchaustauschfuttermittel, welche mit ungeeigneten pflanzlichen Fetten „aufgewertet“ wurden, können zu Haarausfall führen. Die aufgenommenen milchfremden Fette können vom jungen Kalb nur ungenügend verdaut werden und sie werden teilweise über die Talgdrüse ausgeschieden. Mit fortschreitender Pansenentwicklung verschwinden diese Probleme. Ebenso kann ein Mangel an essentiellen Fettsäuren zu Veränderungen des Haarkleides mit partiellem Haarausfall führen. Fütterungsversuche mit Vitamin-B-freien Milchaustauschern führten neben anderen Symptomen ebenfalls zu Haarausfall.

Bei Untersuchungen zur Rekonvaleszenz bei Kälbern nach Durchfallerkrankungen konnte häufig partieller Haarausfall beobachtet werden. Es handelte sich um junge Tiere, die schwer an Durchfall erkrankt waren und eine lang anhaltende Heilungsphase durchgemacht hatten. Der Haarausfall beschränkte sich vorwiegend auf den Analbereich und auf die Innenflächen der Hintergliedmaßen. Als Ursache wird eine länger andauernde, tiefgreifende Störung der Nährstoffbilanz und Versorgung der Haarfollikel gesehen. Fette stehen dabei im Vordergrund. Ein sekundärer Zinkmangel wird als Ursache des Haarausfalls vermutet. Das Krankheitsbild des Pansentrinkens geht ebenfalls vielfach mit Haarausfall einher, wobei Pansentrinker mit einer Vorgeschichte von Durchfall häufiger an Haarausfall litten.

Kälberflechte
Auch Haltungsbedingungen können Haarausfall, vorwiegend an den Hintergliedmassen, begünstigen oder auslösen. Feuchte, hauptsächlich mit Harn kontaminierte Liegeflächen führen zu lokalen Hautreizungen mit nachfolgendem Haarausfall

Rinderflechte

Bei fortgeschrittenem Stadium sind die Hautveränderungen sehr typisch: rundlich-ovale, scharf abgegrenzte haarlose Stellen, die in der Regel mit einem schuppigen, hellgrauen Belag bedeckt sind. Selten sind die Stellen nässend oder gar blutend. Die Veränderungen führen im Gegensatz zum Menschen kaum zu Juckreiz. Das frühe Stadium mit den aufgestellten Haaren ist weniger typisch.

Läuse und Haarlinge

Der Befall mit Läusen führt zu erheblichem Juckreiz. Entweder fällt dieser auf oder ein schütteres Haarkleid, insbesondere im Halsbereich, deutet darauf hin, dass sich die Tiere häufig kratzen. Die Läuse und Haarlinge können mit blossem Auge erkannt werden, ebenfalls deren Eier (Nissen), die einzeln an den Haaren kleben. Läuse können recht einfach von den Haarlingen unterschieden werden. Im Gegensatz zu den Haarlingen ist ihr Kopf deutlich schmaler als der Brustbereich.

Räude

Eine Räudeinfektion führt zu erheblichem Juckreiz und geht mit entsprechender Unruhe einher. Die leichteste und häufigste Form ist diejenige, welche durch die Nagemilbe (Chorioptes) verursacht wird. Die bevorzugten Lokalisationen dieser Milben sind der Schwanzansatz, untere Gliedmassen und der „Milchspiegel“. Auffallend sind Haarausfall, kleieartige Schuppen sowie Krusten- und Borkenbildung. Die selteneren Saug- und Grabmilben führen zu heftigerem Juckreiz und tieferen, häufig blutenden Veränderung der betroffenen Hautbezirke. Nicht selten kommt es nachträglich zu einer bakteriologischen Infektion. Die Räudemilben sind zu klein damit man sie von blossem Auge sieht. Für eine exakte Diagnosestellung sind weitere Untersuchungen nötig, welche durch den Tierarzt durchgeführt werden müssen (Hautgeschabsel).

Haarausfall

Das Krankheitsbild ist sehr typisch, da neben dem Haarausfall keine weiteren entzündlichen Reaktionen der Haut oder Hautparasiten gefunden werden. Die betroffenen Stellen liegen vorwiegend im Analbereich, an den hinteren Gliedmassen und  seltener im Kopfbereich. Die Tiere besitzen in der Regel eine Vorgeschichte mit irgendeiner Form einer Verdauungsstörung.

Quellen: [76, 77, 78, 79]

Der Befall beim Aufzuchtkalb mit Rinderflechte oder Ektoparasiten (Läuse, Haarlinge) erfolgt in der Regel während der Stallhaltungsperiode im Winter und Frühjahr. Als sogenannte Faktorenkrankheiten werden sie durch folgende Risikofaktoren gefördert:

  • Hohe Belegungsdichte (Anzahl Kälber / Fläche)
  • Intensiver Tierverkehr (häufiges Einstallen fremder Tiere)
  • Stress wie zum Beispiel Rangkämpfe, häufiges Verstellen
  • Quantitative Mangelernährung beispielsweise bei einer Krankheit
  • Qualitative Mangelernährung bei unangepasster Fütterung oder sekundär in Folge einer Verdauungsstörung
  • Schlechtes Stallklima mit geringem Luftaustausch und hohen Schadgaskonzentrationen (v. a. Ammoniak)
  • Wenig Licht, nasse Liegeplätze, hohe Luftfeuchtigkeit
  • Krankheiten

Das Krankheitsbild „Haarausfall“ ist in der Regel die Begleiterscheinung oder die Folge einer Krankheit. Im Vordergrund steht dabei eine überstandene Durchfallerkrankung. Jedoch werden auch beim Krankheitsbild des Pansentrinkers oder bei einer Verdauungsstörung ohne wässerigen Durchfall unter Umständen nachfolgend Haarausfall beobachtet.

Die Risikofaktoren für diese Primärkrankheiten müssen abgeklärt werden. Speziell muss auf die richtige Fütterung geachtet werden. Im Zentrum stehen die Auswahl der Futtermittel, aber auch die verabreichte Menge sowie das Intervall der Fütterungen. Der Einsatz von Milchersatzpulvern muss überdacht werden. Milch ist auch während Krankheitsphasen das beste Nahrungsmittel für Kälber. Bei starkem Flüssigkeitsverlust muss der Wasserhaushalt jedoch durch zusätzliche „Mahlzeiten“ mit Elektrolyttränken stabilisiert werden.

Quellen: [76, 77, 78, 79]

Zur Vorbeugung der Rinderflechte, aber auch des Läuse-, Haarlings- und Räudemilbenbefalls müssen die allgemeinen Richtlinien zur Haltung (räumliche Anforderungen, Klima, Einstreu), Fütterung (Kolostrum, Tränke, Festfutter) und Management (Tierverkehr, Arbeitsabläufe, Reinigung und Desinfektion) eingehalten werden. Einige wichtige Stichworte dazu:

  • Tierzahl pro Gruppe möglichst tief halten (< 15 Kälber).
  • Die Tierzahl an die zur Verfügung stehende Fläche anpassen (> 2 m2 pro Kalb).
  • Nur gesunde und aus einem nicht infizierten Betrieb stammende Tiere zukaufen.
  • Stress wie zum Beispiel Rangkämpfe und häufiges Verstellen vermeiden.
  • Angepasste Fütterung sicherstellen, auch in Phasen von Krankheiten.
  • Sonnenlicht wirkt sich günstig aus.
  • Durch geeignete Haltung und entsprechendes Management nasse Liegeflächen vermeiden.
  • Kranke Tiere absondern und behandeln.
  • Durch die Verwendung von Gerätschaften für mehrere Tiere kann die Infektion von einem Tier zum nächsten Tier übertragen werden.

Speziell bei Befall mit Haarlingen, Läusen oder Räudemilben:

  • Behandlung des Stalles und der Gerätschaften mit einem Insektizid; eine Desinfektion mit den üblichen Mitteln ist nicht wirksam.
  • Eine  „Dekontamination” der Stallungen, d. h. die Abtötung der  Läuse,  Haarlinge oder Räudemilben, kann auch erreicht werden, wenn die Ställe für etwa 10 Wochen nicht mit Rindern besetzt werden, da die vom Wirt isolierten Ektoparasiten innerhalb dieser Zeit absterben.
  • Bei einem Befall müssen alle Tiere der Gruppe behandelt werden. Es gibt sogenannte stille Träger. Diese tragen den Parasiten auf sich, ohne die geringsten Krankheitssymptome zu zeigen.

Beim Haarausfall muss die Prophylaxe in erster Linie gegen die Primärkrankheit gerichtet werden. In der Regel ist dies der Kälberdurchfall (siehe Prophylaxe Kälberdurchfall). Die Fütterung muss optimiert und es dürfen nur Milchaustauschfuttermittel guter Qualität eingesetzt werden.

Quellen: [79]

Rinderflechte

Die Behandlung der Rinderflechte basiert auf drei Faktoren:

  • Die Abtötung der Pilzkeime auf der Haut durch lokale Waschbehandlungen steht im Vordergrund. Fütterungsarzneimittel zur Bekämpfung der Rinderflechte sind in der Schweiz nicht zugelassen.
  • Zusätzlich ist die körpereigene Immunabwehr durch eine Optimierung von Fütterung und Haltung essentiell, eventuell ergänzt durch spezielle Vitamingaben (insbesondere Vitamin A und E).
  • Schlussendlich sollte der Stall desinfziert werden, da ein Grossteil der Pilze sich nicht am Tier, sondern an den Stalleinrichtungen befindet.

Zur Prophylaxe oder auch zur Therapie können die Kälber auch geimpft werden. Dabei erscheinen insbesondere Lebendvakzinen sinnvoll. Die Impfung muss über mehrere Jahre lückenlos durchgeführt werden, um ein Bestandesproblem endgültig zu lösen. Ihr Tierarzt wird sie beraten.

Läuse- und Haarlingsbefall

Bei der Therapie des Läuse- oder Haarlingsbefalls macht es keinen Sinn, nur einzelne, offensichtlich erkrankte Tiere medikamentell zu behandeln. Es muss immer die gesamte „seuchenhygienische“ Einheit (d. h. Gruppe, Stall oder ganzer Betrieb) einbezogen werden. Es stehen verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung, welche als Sprüh- oder Aufgussbehandlung sowie als Injektion angewendet werden können.

Räudemilbe

Die Behandlung einer Milbeninfektion, insbesondere durch Grabmilben, geschieht am effektivsten durch Medikamente der Gruppe der makrozyklischen Laktone. Sie werden entweder injiziert oder auf den Rücken aufgetragen („Pour-on“).

Haarausfall

Eine medikamentelle Therapie des eigentlichen Haarausfalls ist nicht notwendig. Hat das Kalb die Verdauungsstörung überwunden und wird die Fütterung an die Bedürfnisse des Kalbes angepasst, so werden die Haare schnell wieder nachwachsen. Die Gabe von Vitaminen wird zwar häufig diskutiert, dessen wirklicher Nutzen ist jedoch umstritten.

Quellen: [80, 81, 82, 83]