Kolostrummanagement
Richtiges Kolostrum-Management ist für das Kalb lebensnotwendig
Das Kalb wird zwar immunkompetent, aber weitgehend immunnaiv geboren. Als Folge einer Infektion kann es zwar Antikörper bilden, aber unmittelbar nach der Geburt zirkulieren in seinem Blut keine Antikörper, weil diese aufgrund des Aufbaus der Plazenta nicht vom Muttertier zum Kalb gelangen. Die meisten Antigene können die Plazentaschranke ebenfalls nicht überwinden. Bis zum Alter von circa 1 Monat ist die selbst produzierte Menge an Antikörpern jedoch noch so gering, dass sie kaum Schutz gegen Infektionserreger bietet. Das Kalb ist daher für die ersten Lebenswochen zwingend auf die Zufuhr von Antikörpern von aussen angewiesen. Das Kolostrum des Muttertieres enthält diese wichtigen Abwehrstoffe (Antikörper, Immunglobuline, IgG).
Die Produktion des Kolostrums im Euter des Muttertiers beginnt bereits 4 - 6 Wochen vor der Abkalbung. Kolostrum ist reich an Antikörpern (IgA, IgG1, IgG2, IgM). Insbesondere IgG1 wird selektiv aus dem Blut in die Kolostralmilch transportiert (3- bis 12-fach höhere Konzentration als im Blut). Zusätzlich enthält das Kolostrum zahlreiche weitere unspezifische Schutzfaktoren (Leukozyten, Lactoferrin etc.).
Die Antikörperkonzentration nimmt von Gemelk zu Gemelk sehr schnell ab. Die Eiweisskonzentration und davon abhängig das spezifische Gewicht des Gemelks zeigen einen ähnlichen Verlauf. Darum kann durch die Messung des spezifischen Gewichtes die Qualität des Kolostrums beurteilt werden (Kolostrometer). IgG-Konzentrationen > 50 g/L werden als gut beurteilt. Aber nicht nur die Konzentration an Antikörpern entscheidet über die Qualität des Kolostrums, sondern auch die Spezifität der Antikörper. Kolostrum von Kühen, welche schon seit längerer Zeit im Betrieb stehen, enthält Antikörper gegen viele betriebstypische Erreger und hat in dieser Hinsicht die beste Qualität.
Die Antikörper des Kolostrums werden im Darm durch sogenannte Pinozytose aufgenommen (Aufnahme von kleinen Flüssigkeitsmengen und den darin gelösten Substanzen). Dieser Mechanismus ist unspezifisch und es werden gleichartig auch Bakterien und andere grosse Moleküle aufgenommen. Die Pinozytose-Aktivität nimmt nach der Geburt kontinuierlich ab und versiegt nach circa 24 Stunden. Der Aktivitätsabbau wird durch eine Nahrungsaufnahme beschleunigt. Daher muss Kolostrum immer die erste Nahrung für das Kalb sein.
Die Aufnahme von Antikörpern ist somit abhängig von
- der aufgenommenen Menge an Kolostrum
- dem Antikörpergehalt im Kolostrum
- dem Zeitpunkt der Kolostrumgabe nach der Geburt
- der Verabreichung weiterer Tränken oder Futtermittel
Wieviel Kolostrum muss das Kalb aufnehmen?
Grundsätzlich sollte ein neugeborenes Kalb Kolostrum ad libitum bekommen – je mehr es freiwillig trinkt, desto besser. Das können bei der ersten Tränkung bis zu 5 Liter sein. Mindestens aber sollte das Kalb 100 g IgG sofort nach der Geburt aufnehmen und 100 g IgG nochmals 4 – 8 Stunden später. Bei einem durchschnittlichen IgG-Gehalt von 50 g/Liter entspricht dies bei beiden Tränken je 2 Liter.
Lagerung von Kolostrum
Für die mögliche Lagerungsdauer des Kolostrums ist der Anfangskeimgehalt wichtig – entsprechend sollte Kolostrum so sauber wie möglich erst nach sorgfältiger Reinigung der Zitzen ermolken werden. Es ist dann möglich, das Kolostrum bis 24 Std. bei Raumtemperatur aufzubewahren, im Kühlschrank bei 4°C - 8°C bis zu 1 Woche und bis zu 6 Wochen, wenn 5 g Propionat/Liter oder 5 g Laktat/Liter beigemischt werden. Eingefroren ist Kolostrum sehr lange haltbar. Wichtig ist schonendes Auftauen bei maximal 55°C.
Kontrolle der Antikörper-Versorgung des Kalbes
Das Kolostrum-Management sollte regelmässig auf Betrieben untersucht werden. Dazu bietet sich als indirektes Verfahren die vergleichsweise billige Bestimmung der Konzentration der Gesamtproteine im Blut der Kälber an; diese sollten gesund und zwischen 24 Std. und 10 Tage alt sein. Als Grenzwert für eine ausreichende Versorgung gilt 55 g/L.
Die Konzentration der Immunglobuline kann auch mittels verschiedener Labormethoden bestimmt werden.
Eine IgG-Konzentration kleiner als 10 g/L gilt als ungenügend.